Der Jüddepatt – historischer Fußweg von Glehn nach Büttgen

Beim "Jüddepad oder auch Jüddepatt" handelt es sich um einen historischen Fußweg, den Glehner Juden vor der Zeit des Nationalsozialismus regelmäßig für ihre Geschäfte benutzten.

Derzeit wird die Beschilderung des Jüddepatts umgesetzt. Zur Finanzierung wurde unter anderem ein privates Spendenprojekt gestartet, organisiert durch den "Förderverein des Schulzentrum Büttgen e.V.".

Anmerkungen vom Historiker Reinhold Mohr zum „Jüddepatt“ bzw. „Judenpfad“


Juden im 18. und 19. Jahrhundert im Rheinland

Am Niederrhein, vor allem in den größeren Städten, aber auch in den ländlichen Ortschaften, war den Juden im 18. Jahrhundert der permanente Wohnsitz weitgehend verwehrt. Das änderte sich erst im Zuge der Aufklärung und der Französischen Revolution. Am 27. September 1791 verkündete die Französische Nationalversammlung die Gleichberechtigung aller französischen Juden. In den durch die nachfolgenden Revolutionskriege von Frankreich eroberten Gebiete des Deutschen Reiches sowie in den in den Einflussbereich Napoleons geratenen deutschen Staaten des Rheinbundes wurden die Juden ebenfalls emanzipiert. Da sie dennoch in der freien Berufsausübung weiter benachteiligt wurden, verblieben ihnen lediglich die Berufsfelder der Geldverleiher, Kleinhändler, Metzger und Viehhändler.
Insgesamt kam es trotz anfänglicher Fortschritte immer wieder zu Einschränkungen des Gleichheitsgrundsatzes für Juden. Dennoch wurde ihnen 1812 in Preußen das Staatsbürgerrecht zuerkannt, dieser Prozess dauerte in anderen deutschen Fürstentümern jedoch zum Teil bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Jüdische Familien in Büttgen und Glehn

Während in Büttgen bis 1932 keinerlei Ansiedlung durch jüdische Familien nachweisbar ist – eine Ausnahme machte erst der jüdisch-stämmige Arzt Dr. Winfried Selbiger, der 1932 eine Praxis an der Gladbacher Straße im Haus der Familie Sieburg einrichtete -, sind in Neuss, Glehn, Korschenbroich und auch Kleinenbroich kleinere jüdische Gemeinden spätestens ab 1810 erwiesen. Tatsächlich gingen die Familienoberhäupter dieser jüdischen Familien vornehmlich den Berufen der Kleinhändler und Metzger bzw. Viehhändler nach. In Neuss ließen sie sich vornehmlich im Bereich des ehemaligen Viehmarktes (des späteren Neumarktes) und der Rheinstraße nieder. In Glehn gelang es ihnen aufgrund ihrer ärmlichen Verhältnisse erst nach vielen vergeblichen Bemühungen 1879, an der Ecke Schützendelle / Bachstraße eine eigene Synagoge zu erbauen. Ein jüdischer Friedhof existiert seit 1861. 1866 wohnten in Glehn 78 jüdische Einwohner.

Jüdischer Handel bis in die Zeiten des Nationalsozialismus

Die Metzger bzw. Viehhändler waren darauf angewiesen, in den umliegenden Dörfern Handel zu treiben bzw. Rinder und Schweine aufzukaufen, um sie entweder in ihren eigenen Betrieben zu verwerten oder weiterzuverkaufen. Sie waren deshalb im 19. und auch Anfang des 20. Jahrhunderts bis ins Jahr 1933, als die schrittweisen Verfolgung und Entrechtung der jüdischen Bevölkerung während der Herrschaft des Nationalsozialismus begann, ein alltäglicher Anblick in Büttgen.


Der damalige Verlauf des Jüddepatts

Um nach Büttgen zu kommen, benutzten sie Feldwege. Diese gingen bei den Buscherhöfen nördlich des Kleinbuscherhofes in den Buscherpfad bzw. Buscher Kirchpfad über. Mit den mitgeführten TIeren hätten sie den Kommunalweg von Glehn nach Büttgen, der noch heute in die Glehner Straße mündet, blockiert. Der Buscher Kirchpfad querte des Gelände der Budica- Grundschule und traf an der Villa Rottels /Weidenfeld (später Villa Rolshoven) auf die Glehner Straße, um dort links in das „Jüddegätzke“ abzubiegen. Diese endete zwischen den Häusern Sieburg und Hoster an der Gladbacher Straße (heute Rathausplatz). Zwischen dem Hausmannshof und dem Pastorat führt die Kirchgasse zur Pfarrkirche St. Aldegundis und zur links liegenden Büttgener Volksschule.

Eberhard Klüber, ehemaliger Büttgener Bürgermeister, schrieb zum Jüddepatt:

„Judenpfad (Jüddepatt)

In Glehn wohnten früher mehrere jüdische Familien, von denen einige den Handel mit Vieh betrieben. Diese Juden kamen bis in die 30er Jahre regelmäßig von Glehn zu Fuß nach Büttgen, um bei den hiesigen Bauern ihrem Geschäft nachzugehen. Dabei benutzten sie einen mit Gras bewachsenen Pfad, der am Glehner Buscher Küllchen vorbei südlich der Weiler Höfe, zu den Buscherhöfen, dabei den Kahlenberger Weg kreuzend, führte. Von dort aus war der Jüddepadd identisch mit dem Buscherpfad [bzw. Buscher Kirchpfad vom Kleinbuscher Hof zur Pfarrkirche St. Aldegundis] und mündete als Jüddegätzke nördlich der Villa Rottels/Weidenfeld auf die Gartenstraße, damals Hongsjatz genannt.”

Erste Überlegungen zum Jüddepatt im Rahmen der Verlegung des 1. Kaarster Stolpersteins

Am 22.10.2022 wurde im Rahmen einer großen Veranstaltung, zu der eigens der Künstler und Erfinder des Solpersteins, Günter Demnig, nach Büttgen angereist war, der erste Kaarster Stolperstein in Gedenken an den jüdischen Arzt Dr. Winfried Selbinger verlegt.