Zuletzt hatte die Bürgerinitiative das Mobilitätskonzept der Stadt und den Umgang mit dem Bürgerentscheid kritisiert. Im Interview gehen Bürgermeisterin Ursula Baum auf die Vorwürfe ein und benennen die entscheidenden Unterschiede zwischen Radentscheid und Mobilitätskonzept. 

Frau Baum, im einem gerade veröffentlichten Interview erhebt der Initiator des Radentscheids den Vorwurf, die Verwaltung und die Politik hätten den Termin für den Bürgerentscheid problemlos auf den Tag der Landtagswahl legen können. Was sagen Sie als Bürgermeisterin zu diesem Vorwurf? Schließlich entstehen durch die Festsetzung eines gesonderten Termins nicht unerhebliche Kosten.
Ursula Baum Die Behauptung, die Stadt und Politik hätten den Bürgerentscheid bewusst vom Tag der Landtagswahl am 15. Mai abgekoppelt, ist schlicht falsch und ignoriert bewusst die rechtliche Grundlage. Der Stadtrat hat am 16. Dezember die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens abgelehnt. Spätestens drei Monate nach dieser Entscheidung muss der Bürgerentscheid durchgeführt werden. Der Wahltermin für den Bürgerentscheid ist also nicht willkürlich, sondern folgerichtig: Dezember plus drei Monate ergibt eben März und nicht Mai. Der Wahltermin ist gesetzlich in der Gemeindeordnung festgelegt. Jeder kann den entsprechenden Text in Paragraph 26, Absatz 6 nachlesen.

Die Initiatoren des Bürgerentscheids werfen Politik und Verwaltung vor, bisher und auch in Zukunft zu wenig für die Interessen der Radfahrer zu tun. Was ist dran an diesem Vorwurf?
Sigrid Burkhart Richtig ist, dass die Stadt Kaarst wie andere Städte auch erheblichen Nachholbedarf bei der Mobilitätswende hatte. Allerdings haben Stadt und Politik gerade den Nachholbedarf beim Thema Radverkehr in Kaarst erkannt und auch schon reagiert. Erstens arbeiten wir gerade ganz konkret an Verbesserungen für die Radfahrer. Das Radwege-Sanierungsprogramm ist verabschiedet und wird umgesetzt. Zum Beispiel wurde gerade der Radweg entlang der Driescher Straße in Büttgen saniert, auch in Vorst und Holzbüttgen waren wir bereits aktiv. Rund 500.000 Euro werden wir für Sanierungs- und Markierungsarbeiten bis Ende 2023 ausgeben. Das ist das eine. 
Zweitens ist der Entwurf des Mobilitätskonzeptes in Bezug auf das Teilkonzept Radverkehr bereits erstellt. Gemeinsam mit Fachleuten und einem Arbeitskreis aus Politik, Verwaltung und Bürgerschaft – übrigens auch Herrn Kindsmüller -  wurde dieses Konzept erarbeitet, um ein zusammenhängendes, rechtssicheres und damit nachhaltiges Radwegesystem zu gestalten. Rund 50 Maßnahmen ergeben ein abgestimmtes Gesamtkonzept für das Stadtgebiet. Darin geht es zum Beispiel um die Einrichtung von Schutzstreifen, Veränderungen beim Parken und den Ausbau und die Sanierung bestehender Radwege. Grundlage des Mobilitätskonzeptes ist es, Radfahrer, Fußgänger und Autofahrer gleichberechtigt zu behandeln. Und genau hier liegt auch der wesentliche Unterschied zum Radentscheid von Kaarster for future.

Was meinen Sie damit?
Burkhart Der Radentscheid benennt Maßnahmen, die uneingeschränkt den Radverkehr in den Blick nehmen. Das hat aber nichts mit einer nachhaltigen Mobilitätswende zu tun. Wir wollen mehr Radverkehr in der Stadt. Aber wir müssen die Fußgänger im Blick haben und bedenken, dass auch in Zukunft viele Haushalte mindestens einen Pkw zur Bewältigung ihres Alltags benötigen. Wir wollen deshalb, dass Rad- und Autofahrer und auch Fußgänger von dem Mobilitätskonzept profitieren. Der Radverkehr liegt klar im Fokus, aber wir klammern die anderen Verkehrsteilnehmer eben nicht aus.

Worin unterscheidet sich der Radentscheid und das Mobilitätskonzept noch?
Burkhart In ihrer Umsetzbarkeit. Wir haben Maßnahmen zusammengestellt, die rechtlich und planerisch möglich sind. Der Radentscheid nennt Einzelmaßnahmen, die wir laut Straßenverkehrsordnung nicht umsetzen dürfen. Wenn zum Beispiel eine Straße nicht mindestens 7.50 Meter breit ist, kann ich keinen beidseitigen Schutzstreifen für Radfahrer einrichten. Das sind handwerkliche Fehler, die auf Grund fehlender Sachkenntnis nachvollziehbar sind. Aber sie sollten dann eben auch als solche Fehler benannt werden. Dies hat die Verwaltung getan und der Politik deshalb empfohlen, den Radentscheid abzulehnen.

Die Initiatoren des Radentscheids kritisieren, dass der Beschluss des Mobilitätskonzeptes keine verbindliche Umsetzung bedeuten würde. Anders sähe dies bei einem Votum für den Radentscheid aus. Dann müssten die Maßnahmen umgesetzt werden. Was stimmt denn nun?
Baum Sowohl für den Radentscheid als auch für die Umsetzung des Mobilitätskonzeptes müssen die dafür notwendigen Haushaltsmittel durch den Stadtrat beschlossen werden. Das Mobilitätskonzept zur Verbesserung des Radverkehrs setzt hier klare Prioritäten. Wir können die einzelnen Maßnahmen mit Kosten beziffern und die notwendigen Mittel im Haushalt 2023 anmelden. Die Politik gibt uns nach intensiven Beratungen den jeweiligen Finanzrahmen vor. So funktionieren demokratische Entscheidungsprozesse – auch im Radverkehr.