Rund 250 Gäste sorgten bei der ersten Verlegung eines Stolpersteins in Kaarst für einen würdigen Rahmen. Künstler Gunter Demnig platzierte den quadratischen Messingstein an die Stelle in den Bürgersteig, wo bis 1933 die Praxis des jüdischen Arztes Dr. Winfried Selbiger lag: Rathausplatz 15, mitten im Ortskern von Büttgen.

Die SA-Schergen, die Selbiger im Herbst 1933 in ein Neusser Gefängnis schleppten, waren Büttgener Bürger: Mitglieder der Schützenbruderschaft, Mitglieder der Kirchengemeinde, Mittäter eines Unrechtsstaates. „Es ist dem Stolperstein-Projekt zu verdanken, dass wir diese schmerzhafte Wahrheit nun kennen“, sagte Bürgermeisterin Ursula Baum, die in ihrer Rede den Wert der Erinnerung betonte und die Aufgabe herausstellte, in Erinnerung an Dr. Winfried Selbiger für ein friedliches, offenes und demokratisches Kaarst einzustehen.

Sichtlich bewegt bat Carl-Wilhelm Bienefeld, einer der Initiatoren des Projekts und Lehrer an der Gesamtschule Kaarst-Büttgen, den 1962 verstorbenen Selbiger um Verzeihung für das erlittene Unrecht. Der Büttgener Brudermeister Franz-Josef Bienefeld machte in seiner Ansprache deutlich, dass die Stadtgesellschaft in der Pflicht sei, nie wieder ein vergleichbares Unrecht zuzulassen. Die Büttgener Schützen
gehören zu den größten Unterstützern des Projekts, das auch bei Künstler Gunter Demnig für Anerkennung sorgte: „So ein Interesse, so ein großes Publikum ist wirklich selten.“

Rund drei Jahre dauerte die Spurensuche von Heimatforscher Reinhold Mohr, ehe die Biografie von Dr. Winfried Selbiger aus den Quellen diverser Archive zusammengesetzt war. Besonders tragisch: Zwar überlebte Selbiger den nationalsozialistischen Terror, doch das Berufsverbot, die Schutzhaft und die anschließende Flucht nach Tansania sorgten für einen nachhaltigen Bruch im Leben des Düsseldorfer Arztes. „Sein späteres Scheitern kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es Büttgener Bürger waren, die ihn verraten und damit sein Leben nachhaltig aus den Angeln gehoben haben“, sagte Mohr. Mit dem Stolperstein kehrt zumindest die Erinnerung an dieses Unrecht in die Büttgener Ortsmitte zurück.